Selfpublishing – das Veröffentlichen von Büchern ohne Verlag – boomt. Und es ist ein Vorurteil, dass selbst verlegte Bücher grundsätzlich Schrott sind, von wegen wären sie gut, hätten sie ja einen Verlag gefunden – selbst Harry Potter ist von mehreren Verlagen abgelehnt worden. Die Geschmäcker sind nun mal verschieden – auch die von Verlagen und Lesern. Es gibt durchaus Autoren, die von ihren selbst verlegten Büchern gut leben können. Und alle anderen können sich durch die Möglichkeit des Selfpulishings einen Wunsch erfüllen: das eigene Buch, bestellbar bei Amazon und wo auch immer.
Früher oder später kommen viele Selfpublisher auf die Idee, den Markt für ihr Buch zu vergrößern – durch die Übersetzung, meistens ins Englische, denn dieser Markt ist nun mal der größte. Hier deshalb ein paar Tipps für Autoren, die mit dem Gedanken spielen, ihr Buch übersetzen zu lassen:
- Auf Ihrer Suche nach einem Übersetzer landen Sie vermutlich zuerst entweder bei einer Agentur oder bei Babelcube oder einer ähnlichen Seite. Mein Tipp: Finger weg. Nicht nur nach deutschem Recht ist es so, dass der Übersetzer Urheber der Übersetzung ist und somit auch Inhaber des Urheberrechts. Jetzt horchen Sie auf, nehme ich an, wie, was, ich bin doch der Autor! Sie sind der Autor des Textes in Ihrer Sprache, der Übersetzer ist der Autor des Textes in seiner Sprache. Das ergibt sich aus § 3 UrhG: „Übersetzungen und andere Bearbeitungen eines Werkes, die persönliche geistige Schöpfungen des Bearbeiters sind, werden unbeschadet des Urheberrechts am bearbeiteten Werk wie selbständige Werke geschützt.“ Als Urheber muss der Übersetzer im Buch, auf Produktseiten usw. genannt werden und ohne sein Einverständnis dürfen keine (wesentlichen) Änderungen am Text vorgenommen werden. Durch Agenturen und Babelcube wird dieses Recht untergraben. Damit sind Buchübersetzungen über Agenturen oder Babelcube für Profi-Literaturübersetzer komplett uninteressant, auch wegen der schlechten Bezahlung, denn die Vermittler streichen natürlich einen Teil der Kohle ein. Und deshalb werden Sie über Agenturen oder Babelcube mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine gute Übersetzung erhalten.
- Eine Übersetzung muss lektoriert und Korrektur gelesen werden. Von zwei verschiedenen Personen – einem Lektor und einem Korrekturleser. Das sind zwei grundsätzlich unterschiedliche Tätigkeiten: Der Lektor konzentriert sich auf Stil und Sinn, auch wenn er natürlich Tippfehler korrigiert, wenn er über welche stolpert. Der Korrekturleser hingegen konzentriert sich allein auf eben diese Rechtschreib- und Tippfehler. Beides auf einmal geht nicht, auch wenn immer wieder anderes behauptet wird. Und dort liegt der nächste Punkt, der ganz klar gegen Babelcube spricht: Bei diesem Modell teilen sich Autor und Übersetzer die Tantiemen (nach Abzug der Prozente für Babelcube). Lektor und Korrekturleser sind nicht vorgesehen. Nun kann entweder der Übersetzer von seinen Prozenten Lektorat und Korrektorat bezahlen – wird er aber nicht, dafür reicht das Geld gar nicht. Oder der Autor tut es – wird er aber nicht, dafür reicht das Geld gar nicht, und außerdem ist er ja der irrigen Auffassung, er erhalte eine Übersetzung, die er genau so veröffentlichen kann. Das Ende von Lied sind negative Rezensionen und schlechte Verkaufszahlen, denn Leser lieben es grundsätzlich, Fehler in Büchern zu finden und sie in Rezensionen breitzutreten. Da reichen manchmal schon fünf Tippfehler, und schon werden wahlweise Autor oder Übersetzer als komplett unfähig dargestellt. Und damit sinken die Verkaufszahlen. Und Ihr Ruf leidet.
- Eine gute Übersetzung kostet. Laut einer Umfrage des VdÜ (Verband der Literaturübersetzer) im Durchschnitt 17,90 Euro pro Normseite (1.800 Zeichen EN-DE). Ein gutes Lektorat kostet zwischen 4 und 7 Euro, ein gutes Korrektorat kostet zwischen 2 und 4 Euro pro Seite. Damit wären wir bei rund 28 Euro pro Seite – und vergessen Sie die Abgabe für die Künstlersozialkasse nicht. Und das Cover. Das ist viel Geld; bei einem Buch mit 300 Seiten wären Sie so 9.000 Euro los, sodass Sie bei einem Bruttoverkaufspreis von 4,99 Euro für ein Kindle-E-Book über 3.000 Exemplare verkaufen müssten, um diese Kosten wieder reinzukriegen. Das ist ein Risiko, und so möchten Autoren natürlich versuchen, dieses Risiko zu teilen und somit für sich zu senken. Indem Leistungen eingespart werden oder indem dem Übersetzer vorgeschlagen wird, ausschließlich über eine Beteiligung an den Tantiemen bezahlt zu werden. Das kann durchaus funktionieren, wenn es sich beispielsweise um einen Teil einer Reihe handelt und die vorherigen übersetzten Teile sich sehr gut verkauft haben. Oder Sie als Autor so einen guten Namen haben, dass sich Ihre Bücher auch in der Übersetzung gut verkaufen werden. Allerdings: Wenn dem so wäre, würden Sie das geringe Risiko vermutlich selbst tragen und die Tantiemen lieber allein einstreichen, oder? In den meisten Fällen wird sich ein guter Übersetzer, der wochenlang an ihrem Buch arbeitet und in dieser Zeit Miete und andere Rechnungen zu bezahlen hat, nicht auf eine Bezahlung allein durch Tantiemen einlassen.
- Es sollte selbstverständlich sein, aber leider gibt es nichts, was es nicht gibt: Übersetzer, gerade von Literatur, sollten nur in ihre Muttersprache übersetzen, niemals in die Fremdsprache. Kommen Sie nie auf die Idee, eine Deutsche mit der Übersetzung Ihres Romans ins Englische zu beauftragen, auch wenn sie ihrer Auffassung nach noch so gut Englisch kann. Romanübersetzungen sind ein völlig anderes Kaliber als Fachübersetzungen. Da geht es um Nuancen, Konnotationen, Sprachgefühl. Sehr gute Sprachkenntnisse reichen da nicht aus. Kein guter Übersetzer würde jemals ein Buch in die Fremdsprache übersetzen.
- Kommen Sie niemals auf die Idee, irgendeinen Übersetzer mit der Übersetzung Ihres Romans zu beauftragen. Fachübersetzungen sind – huch, ich sagte es bereits – ein völlig anderes Kaliber als Literaturübersetzungen. Ich habe bei meiner ersten Romanübersetzung auch gedacht: Hey, ich kann das! Ich lese gerne Romane! Ich kann richtig gut Deutsch! Ich habe Übersetzen studiert! Ich übersetze schon seit Jahren! Und dennoch hatte der Lektor richtig viel Arbeit, einfach, weil mir viele Grundkenntnisse fehlten. Zum Glück hatte ich einen sehr guten Lektor, von dem ich sehr viel gelernt habe. Auch von den Lektoren meiner nächsten Bücher. Heute kann ich sagen: Ich kann das. Aber das geht eben nur mit Erfahrung. Ein Übersetzer, der noch nie für einen Verlag übersetzt hat und nicht weiß, wie ein Buch entsteht und wie wichtig Lektorat und Korrektorat sind, kann das nicht. Er kann’s lernen, aber eben bei einem Verlag, nicht bei einem Selfpublisher.
- Leider sind gute Literaturübersetzer, die für Selfpublisher arbeiten, in allen Sprachen schwer zu finden. Die meisten Literaturübersetzer arbeiten ausschließlich für Verlage – was auch an den eingangs erwähnten Vorurteilen gegenüber Selbstverlegern liegen könnte. Und da Literaturübersetzer nur für Verlage arbeiten, haben sie meist auch keine Website und sind damit für Suchende unsichtbar. Eine Möglichkeit bei einer gewünschten Übersetzung ins Englische wären amerikanische Berufsverbände für Literaturübersetzer, z. B. http://www.literarytranslators.org. Oder Sie schauen in die Übersetzung von Romanen, die Ihrem ähnlich sind, und googeln den Übersetzer. Dazu reicht die Amazon-Funktion „Blick ins Buch“ bzw. „Look inside“ auf amazon.com. Eine weitere Möglichkeit sind Jobbörsen, die größte dürfte proz.com sein. Sie werden dort sehr, sehr viele „Bewerbungen“ erhalten, von denen die meisten kompletter Schrott sind. Aber es sind tatsächlich manchmal Leute dabei, die wirklich Erfahrung im Übersetzen von Büchern haben. Ein Versuch ist es wert! Aber denken Sie daran: nur Übersetzer mit Erfahrung (im Idealfall können Sie die Rezensionen vorheriger Buchübersetzungen einsehen) und nur mit Lektorat und Korrektorat! Um das sich wahlweise der Übersetzer kümmert oder Sie selbst. Dann wird ein gutes Buch daraus.
- Zu empfehlen ist unbedingt das Buch „Selling your novel in Germany, or how to end up with a real Krautpleaser“ von meinen Kolleginnen Jeannette Bauroth und Corinna Weja. Nur auf Englisch und nur als E-Book erhältlich richtet sich dieser Ratgeber zwar primär an amerikanische Autoren, die ihr Buch ins Deutsche übersetzen lassen möchten, bietet jedoch auch jede Menge Grundwissen für deutsche Selfpublisher.
Wie ich arbeite, wenn ich einen Roman für einen Selbstverleger übersetze? Erzähle ich Ihnen im nächsten Post. Dieser ist schon so lang 😊
Zum Weiterlesen: Eine interessante Fallstudie „Mit Übersetzungen auf den englischsprachigen“ Markt finden Sie in der Selfpublisherbibel.
Pelzel (Gerhard) meint
Guten Tag – Frau Neidhardt – mein Gesundheitsbuch könnte ich selbst ins Englische übersetzen. Was halten Sie davon, wenn ich es dann bei einem Übersetzungsbüro kontrollieren lasse?
Greco meint
Ich wollte ihnen danken für diesen Artikel, es hat mir geholfen. Ich habe noch ein paar Fragen darum. Gilt diesen Tipps für jeden Sprache? Ich frage, weil, es gibt ein paar Sprachen, die man selten ein Übersetzer dafür finden kann.
Florentin Eilers meint
Genau wie Du geschrieben hast, dass der Übersetzer der Autor des Textes in seiner Sprache ist. Der Übersetzer soll der Kultur des Autors gut verstehen. Ich glaube es sehr schwierig, um eine Komödie zu übersetzen.
Chris meint
Frau Neidhardt, vielen Dank, für die wirklich nützliche Information.
Die Zusammenarbeit mit einem Verlag, wie auch die damit verbundenen Vorteile, ist wohl das wünschenswerteste Ziel eines jeden Autors.
Ich hätte jedoch noch eine Verständnisfrage:
Bezogen auf eine Übersetzung meines Werkes in eine Fremdsprache habe ich es so verstanden, dass ein Übersetzer IMMER als der Urheber seiner Übersetzung gilt und somit Änderungen sein Einverständnis voraussetzen.
Wenn dies nach (deutschem) Recht so ist, dann ist es doch, mal abgesehen von Qualitätsunterschieden, völlig egal wen ich mit der Übersetzung beauftrage. Dieses Recht könnte dann höchstens durch das Beauftragen eines „jeweiligen Muttersprachlers“ umgangen werden, welcher schriftlich auf seine Urheberrechte verzichtet.
Oder habe ich hier etwas missverstanden?
Chris
Miriam Neidhardt meint
Moin, Chris,
ich verstehe Ihre Frage nicht. Übersetzungen sollten immer von Muttersprachlern erstellt werden. Und die Auswahl der Übersetzerin sollte auf der Qualität ihrer Übersetzung basieren.
Rechtliche Fragen sollten Sie mit einem Anwalt klären.
Gruß
Miriam Neidhardt
Chris meint
Danke, für die schnelle Rückmeldung.
Ja, ich habe den Hinweis, bezogen auf die erforderlichen Kompetenzen eines Übersetzers, verstanden und dies sollte ja auch selbstverständlich sein.
Meine Überlegung ging eben in die Richtung, dass:
schon ein einziges „falsch“ übersetztes Wort (z. B. mehrere Übersetzungsmöglichkeiten), u. U. die Aussage meines Textes verändern kann.
Behält der Übersetzer, als Urheber, sein Vetorecht, dann müsste ich ja jedwede (falsche) Übersetzung akzeptieren. Ausnahme: er verzichtet auf seine Urheberrechte.
Danke
Chris
Miriam Neidhardt meint
Auch bei Literaturübersetzungen haben Sie selbstverständlich ein Recht auf Reklamation und Nachbesserung. Abgesehen davon geht es beim Urheberrecht nicht um einzelne Wörter, sondern um den Text als Ganzes.
Und nach deutschem Recht kann man auf sein Urheberrecht nicht verzichten.
Ich habe den Eindruck, dass Sie Probleme sehen, wo keine sind. Warum sollte eine Übersetzerin auf einer Falsch-Übersetzung bestehen? Bei solchen Differenzen sollte die Wahl der Übersetzerin überdacht werden.
Chris meint
Vielleicht ist dies so, vielleicht bin ich (hier) zu misstrauisch.
Ich bedanke mich jedenfalls bei Ihnen, dass Sie sich Zeit für die Rückmeldungen genommen haben.
Gruß
Chris