Gastpost von Dr. Alexandra Berlina, alexandra@perevesti.net
Robert Frost soll ja gesagt haben, „Dichtung ist das, was in der Übersetzung verlorengeht“. So ganz genau stimmt das nicht; er hat aber in seinen Konversationen über die Poesie als Handwerk geschrieben: „Poesie ist das, was sowohl Prosa als auch Gedichte in der Übersetzung verlieren.“ Was ja auch nicht falsch ist: Jagt man einen Text durch eine Übersetzungssoftware, ist die Poesie tatsächlich verloren. Und wenn ich nur den Inhalt übersetze – ohne auf den Klang, den Rhythmus und die Bilder zu achten – ebenfalls. Aber es geht ja auch anders.
Meine Sprachen: Deutsch, Englisch, Russisch
Als Übersetzerin für Lyrik habe ich ein etwas ungewöhnliches Profil: Ich vermittle zwischen Russisch, Deutsch und Englisch in allen Kombinationen (wobei ich Gedichte meistens ins Deutsche und Englische übersetze). Die meisten Übersetzer begnügen sich mit einer Zielsprache, was auch durchaus sinnvoll ist. Aber mein Lebenslauf hat sich so gestaltet, dass ich als dreisprachige Übersetzerin aktiv bin – und dabei am liebsten Gedichte übersetze.
Lyrikübersetzung: von der Poesie bis zum Jingle
Meine höchste Leidenschaft gilt dem, was man als seriöse Dichtung bezeichnet – am liebsten gereimt, gerne experimentell –, doch auch leichtherzige Verse übersetze ich gerne. Zeilen, die für eine Firmenfeier oder Hochzeit mit Freude und Humor geschrieben wurden, in eine andere Sprache zu übertragen – das ist eine andere Art Freude, als große Kunstwerke nachzudichten. Aber eben auch eine Freude. Und am schönsten ist es, wenn so ein Text in der Nachdichtung noch schöner wird: griffiger, lustiger, romantischer, was auch immer erwünscht wird.
Ein wiederum anderes Vergnügen ist es, Songs zu übersetzen. Bei einem Lied muss in der Übersetzung nicht nur ganz besonders der Rhythmus stimmen – das Ganze muss auch singbar sein. Bestimmte Vokale eignen sich besser als andere, die Betonung der Melodie muss zu der Betonung jedes Wortes passen … Ein professioneller Lyrikübersetzer sollte auf jeden Fall darauf achten, wie der Text fließt, hier aber umso mehr. Will man einen deutschen Songtext ins Englische übersetzen, hat man es tendenziell leichter: Englische Wörter sind kürzer, und so kann man die Akzente besser verteilen. Übersetzt man hingegen ins Deutsche, ist es oft schwieriger, das Wort zu finden, das vom Stil und von der Klangfarbe passt und sich gut in den Text fügt.
Dann gibt es noch Lyrik, die für Poetry-Slams geschrieben wurde; sie hat wiederum ihren eigenen Charakter: Der Übersetzer muss sich vorstellen, wie vorgelesen wird, wo im Gedicht die Pausen liegen, wo die Stimme lauter und leiser wird. Wenn in einem deutschen Slam-Text ein Wort zischt, sollte auch in der englischen Übersetzung an dieser Stelle etwas zischen; vielleicht lohnt es sich, dafür einige Zeilen umzustellen. Solche Entscheidungen treffe ich als Übersetzerin am liebsten im Dialog mit dem Autor/der Autorin. Und wenn die Übersetzung als Untertitel oder Obertitel eingeblendet werden soll, ist die Kürze besonders wichtig.
Lyrik in Zeiten des Corona-Virus
Vielleicht eignen sich unsere surrealen Zeiten ja ganz besonders für Lyrik. Zufälligerweise hat Josif Brodskij, über dessen Lyrik ich promovierte, vor genau 50 Jahren ein Gedicht über Isolation geschrieben, das sich unter anderem auf die Hongkong-Grippe von 1968–1970 bezieht. Dieses Gedicht habe ich zum eigenen Vergnügen aus dem Russischen übersetzt. Hier sind die letzten vier Zeilen meiner englischen und meiner deutschen Fassung:
Don’t be a fool! Instead, be what others couldn’t be.
Don’t leave the room! Let furniture keep you company,
merge with the wall, barricade your irises
from the chronos, the eros, the cosmos, viruses.
Und jetzt Deutsch:
Sei doch kein Trottel! Sei einzigartig, wohl oder übel.
Verlasse dein Zimmer nicht! Verlasse dich auf die Möbel,
wachse in die Tapete, ins Zimmer. Barrikadier es
mit dem Schrank vor dem Chronos, dem Kosmos, dem Eros, dem Virus.
(Die Rechte gehören der Brodsky Foundation.)
Soll sich eine Übersetzung reimen?
Es ist mir bei lyrischer Übersetzung besonders wichtig, Schlüsselwörter zu betonen – so steht das Virus hier am Schluss. Man sieht hier auch: Ich neige dazu, die Reime und das Metrum wiederzugeben. Ich muss als Übersetzerin mit meinen Kunden aber ehrlich sein: Diese Vorliebe ist eher unüblich. Die meisten „seriösen“ Gedichte und Übersetzungen reimen sich heutzutage nicht; ich kann durchaus nach Wunsch vorgehen und in Blankvers oder in rhythmischer lyrischer Prosa übersetzen. (So wird die Lyrikübersetzung auch günstiger und schneller fertig, man braucht nämlich nicht über die Reimwörter zu sinnen.) Für ein Jubiläum einer Firma oder eine große Familienfeier eignet sich eine reimende Übersetzung vielleicht doch am besten. Falls man sich, sagen wir, an ein amerikanisches Lyrik-Magazin wenden möchte, ist eventuell eine Übersetzung ohne Reime vorzuziehen. Das wird vor dem Beginn der Übersetzungsarbeit besprochen und entschieden.
Wenn Sie auf nach einer Übersetzerin für lyrische Texte sind – sei es nun ins Englische, Deutsche oder Russische – gelangen Sie hier zu meiner Website. Ich bin gespannt! Ihre Dr. Alexandra Berlina, www.dolmetscher.team
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