Ich bin bei Facebook in einer Gruppe für Selfpublisher, in der immer mal wieder nach Tipps für die Übersetzung des eigenen Werks gesucht wird, meist ins Englische. Und immer wieder wird in diesen Threads geraten, das Buch einfach von Deepl.com automatisch übersetzen zu lassen und nur zur Überarbeitung an einen Muttersprachler zu übergeben. Und immer wieder schlage ich die Hände über dem Kopf zusammen, weil das eine richtig dumme Idee ist. Übersetzen, gerade von Literatur, ist eine Kunst! Da reicht kein Computer, und da reicht auch kein Muttersprachler, wenn Muttersprachlersein die einzige Qualifikation darstellt. Meist reicht auch kein englischsprachiger Lektor, weil man zum Verstehen einer Computerübersetzung oftmals das Original verstehen muss – und weil man den Stil des Originals erfassen können muss, um ihn in die Fremdsprache übertragen zu können. Denn auch das kann kein Computer. Insofern braucht man so oder so einen Übersetzer. DeepL ist toll und sehr nützlich, wenn man wissen möchte, was da steht. Aber das verstehen wir Übersetzer ohnehin, auch ohne Computer. DeepL ist auch toll und sehr nützlich für mache Textsorten, bei denen immer wieder ähnliche Sätze verwendet werden, z. B. bei Bedienungsanleitungen, Rezepten und AGB. Bei kreativen Texten hingegen lockt DeepL den Nutzer oftmals auf eine falsche Fährte und macht damit mehr Arbeit, als es bei einer Übersetzung ohne technische Hilfe der Fall wäre.
Lesen Sie hier von meinem Selbstversuch der Überarbeitung eines kompletten Romans, der mit DeepL ins Deutsche übersetzt wurde: https://www.miriam-neidhardt.de/2022/07/29/uebersetzung-eines-romans-mit-deepl-ein-selbstversuch/
Aber probieren wir es einfach mal aus! Ich habe mal ein paar Stellen aus ein paar Romanen durch DeepL gejagt:
Original:
The girl pushes a slip towards him. ‘Can you put that on for me?’ she asks.
DeepL-Übersetzung:
Das Mädchen schiebt ihm einen Slip zu. „Kannst du den für mich anziehen?“, fragt sie.
Klingt absolut logisch, oder? Grammatikalisch korrekt. Und genau da liegen die Tücken von DeepL: Die Sätze sind alle grammatikalisch korrekt und klingen absolut logisch. Man hat beim Lesen den Eindruck, es mit einer guten Übersetzung zu tun zu haben, bei der nur ab und an ein Wort geändert werden muss. Um den Fehler hier zu erkennen, muss man den Kontext wissen: Das „Mädchen“ ist volljährig und somit eine junge Frau, und sie kommt in ein Wettbüro und möchte eine Wette platzieren. Mit einer Unterhose, die der Mitarbeiter anziehen soll, hat das alles überhaupt nichts zu tun.
Korrekte Übersetzung:
Die Frau schiebt ihm einen Zettel zu. „Können Sie diese Wette für mich platzieren?“
Schon ein ziemlicher Unterschied, oder? Problem ist: Diesen Fehler zu erkennen, nachzusehen, wie die Stelle im Original lautet, kurz zu lachen und die zwei Sätze dann neu zu übersetzen, dauert länger, als die Stelle von vorneherein selbst zu übersetzen. Mit etwas Pech erkennt man den Fehler auch gar nicht. Dann führt er später bei den Lesern zu Lachern.
Original:
‘Where did you hear that?’ Lottie cursed the grapevine that meandered its way out of the station and wrapped itself around the community so quickly.
DeepL-Übersetzung:
„Woher hast du das?“ Lottie verfluchte die Weinrebe, die sich aus dem Bahnhof herausschlängelte und sich so schnell um die Gemeinde wickelte.
Ey, aber das ist wirklich lustig. Im Leben nicht würde man anhand der Übersetzung draufkommen, was gemeint ist, oder? Station ist in diesem Fall übrigens eine Polizeidienststelle. Wobei das bei der Übersetzung wirklich das kleinste Problem ist.
Original:
James’s eyes shot daggers at him, but he left. Then Blane turned to me and I inwardly quaked at the look in his eyes, while trying not to admire how amazing he looked in his tuxedo. The coat was cut perfectly, emphasizing his broad shoulders, and the black mask only served to enhance the green of his eyes and the strong curve of his jaw.
DeepL-Übersetzung:
James schoss mit den Augen Dolche auf ihn, aber er ging weg. Dann drehte sich Blane zu mir um, und ich zitterte innerlich vor dem Blick in seinen Augen, während ich versuchte, nicht zu bewundern, wie erstaunlich er in seinem Smoking aussah. Der Mantel war perfekt geschnitten und betonte seine breiten Schultern, und die schwarze Maske diente nur dazu, das Grün seiner Augen und die starke Kieferwölbung zu betonen.
Gut, bei dieser Textstelle erkennt man, wie schlecht DeepL solche Texte übersetzt. Ich wüsste gar nicht, wo ich mit der Überarbeitung anfangen sollte. Auf jeden Fall bräuchte ich das englische Original, um zu verstehen, was die deutsche Übersetzung mir sagen will. Und genau da liegt das Problem: Bei der Überarbeitung einer DeepL-Übersetzung muss ich entweder den entsprechenden Abschnitt im englischen Original lesen – oder ich muss die deutsche DeepL-Übersetzung im Kopf ins Englische rückübersetzen, um sie zu verstehen. Und das ist keine Zeitersparnis! Ganz im Gegenteil. Wenn ich den Abschnitt selbst übersetze, muss ich „nur“ das Englische verstehen und ins Deutsche bringen. Bei der Überarbeitung der DeepL-Übersetzung muss ich das Deutsche lesen, das Englische lesen, das Englische verstehen, das Deutsche verstehen, mich blitzdingsen und das Deutsche neu formulieren. Das dauert nicht nur länger, die Sache mit dem Blitzdingsen wird auch nicht funktionieren, sodass ich womöglich an einer schrägen Formulierung der DeepL-Übersetzung klebe und das Ergebnis unschön wird. Oder ich bin total genervt von der bescheuerten DeepL-Übersetzung und formuliere, schon um auf einen gescheiten Stundensatz zu kommen, nur um, was wirklich notwendig ist – und dann ist das Ergebnis erst recht unschön. Durch diese Satz-für-Satz-Überarbeitung komme ich auch schlicht nicht in den Fluss. Sie kennen das, wenn Sie ein gutes Buch lesen und nicht aufhören können. So geht es mir beim Übersetzen: Ich lese und tippe gleichzeitig den Text in der anderen Sprache. Dabei fühle ich, was die Protagonisten fühlen. Bei rasanten Szenen tippe ich schneller und bei romantischen Szenen klopft auch mein Herz schneller. Das merkt man der Übersetzung an, und all das ist bei der Überarbeitung einer Computerübersetzung nicht möglich. Bei einer (überarbeiteten) Computerübersetzung kommt einfach nur ein Text heraus, der zwar in sich grammatikalisch und orthografisch korrekt ist – aber seelenlos. Und ein Roman lebt nicht nur von der Geschichte und korrekter Rechtschreibung, sondern primär von den transportieren Gefühlen.
Sie als AutorIn haben sich so viel Mühe beim Formulieren Ihres Romans gegeben. Verhunzen Sie ihn bitte nicht durch eine Computerübersetzung. Beauftragen Sie eine Übersetzerin, die sich dieselbe Mühe mit Ihrem Roman in der anderen Sprache gibt.
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Christiane Repen meint
Klar, „Literatur“ wird das nicht ausgespuckt werden können durch ein Computerprogramm.
Aber wenn es auf dem deutschen Markt schon extrem schwierig ist, ein Buch zu platzieren, das in keine der gängigen Genres passt (anders in GB oder Australien – „australian historical fiction“ und zwar recherchierte – , wird schnell klar,. dass eine Realübersetzung sich kaum bezahlbar ist … oder?
Andreas meint
Meine Lieblingsgeschichte ist „Der entwendete Brief“ von Edgar Allan Poe in der deutschen Übersetzung. Habe ich im Lauf der Jahre viele Male gelesen und kenne den Inhalt gut. Da das Urheberrecht abgelaufen ist, kann man den englischen Originaltext herunterladen. Habe ich maschinell übersetzen lassen. Ich kann zwischen der Übersetzung des Computers und der des Menschen keinen Unterschied feststellen. Vielleicht ist der eine oder andere Satz etwas anders formuliert, aber der Sinn, der Inhalt ist der gleiche. Ich bin deutschler Muttersprachler und Buchautor, und ich schreibe seit meiner Kindheit Bücher, also seit Jahrzehnten. Wenn ich nichts merke, wie soll dann ein durchschnittlicher Leser was merken? Na ja, ein Wort wurde mit „Meerschaum“ übersetzt, und gemeint ist natürlich nicht „Meerschaum“, sondern „Meerschaumpfeife“, aber das hätte jede Pfeife, deren Muttersprache Deutsch ist, korrigieren können, auch ohne Übersetzen oder Lektorieren studiert haben müssen wollen dürfen sollen zu können. Schreiben ist eine Kunst? Für Literaten vielleicht. Metaphern und Wortspiele sind schwer zu lesen und schwierig zu übersetzen. Für mich als Autor von Unterhaltungsliteratur, genauer, von Kinderbüchern, besteht die Kunst nur darin, eine spannende Handlung zu erfinden. Diese niederzuschreiben, egal in welchem Stil, empfinde ich nicht als Kunst.
Miriam Neidhardt meint
Moin, Andreas,
wenn „Der entwendete Brief“ in englischer und deutscher Fassung im Internet verfügbar ist, können Sie davon ausgehen, dass DeepL beide Versionen im „Programm“ hat. Und deshalb natürlich die vorliegende deutsche Übersetzung vorschlägt, wenn Sie das englische Original eingeben. Das ist also kein Werk von DeepL, sondern das des ursprünglichen Übersetzers.
Gruß
Miriam Neidhardt
Andreas meint
Okay, das war ein peinlicher Fehltritt meinerseits. Ich habe es jetzt noch mal versucht. Habe eine englische Seite gesucht, mit der der Anfänger Schweißen lernen können, und habe den Text maschinell übersetzen lassen. Hätte ich nicht gewusst, dass eine Übersetzung ist, hätte ich das für eine klare deutsche Anleitung gehalten, wie man Schweißt, und was man dabei beachten sollte. Da ich seit vielen Jahren schweiße und mich mit den verschiedenen Verfahren und deren Tücken auskenne, kann ich wohl beurteilen, dass das ein guter, sauberer, verständlicher Text ist. Das einzige, was mir aufgefallen ist, ist der Begriff „Stab“. Fachleute, zu denen ich mich zähle, sagen „Elektrode“ dazu. Aber man kann es auch „Stab“ nennen. Ist für Anfänger sogar leichter zu verstehen.
Miriam, bitte verstehe mich richtig. Ich überlege ernsthaft, mein Buch eines Tages ins Englische übersetzen zu lassen, und ich will dabei auch nicht am falschen Ende sparen, und gönne dir dein Geld, aber du hast mich leider noch immer nicht überzeugt.
Miriam Neidhardt meint
Ja. Bedienungsanleitungen kann DeepL gut. Datenschutzerklärungen auch. Das legt daran, dass diese Texte in großen Mengen übersetzt vorliegen und sowieso oftmals Textbausteine verwenden. Die kann DeepL gut. Solche Texte fallen auch nicht unter Kunst.
Hier ist die Rede von Romanen. Die kann DeepL nicht. Und Romanübersetzungen fallen unter Kunst. Deshalb werden sie mit 7 % versteuert, und deshalb kommen Literaturübersetzer in die Künstlersozialkasse. Beides ist bei Fachübersetzern nicht der Fall.
Mona meint
Hi Miriam,
ich darf gerade so einen netten Roman korrigieren – anders kann man es ja nicht nennen – der mit einem solchen Programm übersetzt wurde. Ich kann dir nur zustimmen. Das ist so viel mehr Arbeit, als es einfach runterzutippen. Es ist einfach nur nervig und teilweise kann man nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen.
Das ärgerlichste hier dran – hier wurde jemand dafür bezahlt, dass er den Roman übersetzt und der jemand hat nicht nur einfach ein Übersetzungsprogramm genutzt, sondern weiterhin nicht einmal den Anstand gehabt, den ersten Satz der schon vollständiger Schwachsinn war zu korrigieren.
Ich bin da voll und ganz bei dir!
Ralph-André Friedrich meint
Einer meiner Lieblingsautoren hat eine sechsbändige Serie geschrieben wo nur die ersten fünf Bände ins deutsche übersetzt wurden. Das hat mich immer geärgert und da ich jetzt mehr Zeit habe, habe ich begonnen Band sechs selbst zu übersetzen.
Da ich diesbezüglich Amateur bin habe ich mich nach maschineller Unterstützung umgesehen.
Das meiste ist schlichtweg unbrauchbar. Am besten, und zwar mit Abstand ist Deppl.
Auch wenn für einen Profi, wie hier ja auch beschrieben erhebliche Einwände bestehen so ist das Ergebnis für einen Amateur wie mich besser als erwartet.
Natürlich ist eine ausgiebige Nachbearbeitung erforderlich.
Anredeformen wie du, sie, ihr, werde willkürlich, teilweise im gleichen Satz gemischt.
In wieweit die einstellbaren Anredeformen formell oder informell helfen weiß ich nicht.
Häufig passen Sätze obwohl grammatisch richtig, plausibel und logisch vom Stil her nicht.
Mein Fazit, für eine professionelle Übersetzung „noch“ nicht akzeptabel, für einen Amateur sehr hilfreich.
Ich betone das noch nicht da ich glaube das uns, wenn sich die intelligenten Übersetzungsprogramme mit den sogenannten KI´s verbinden uns noch einige Überraschungen bevorstehen.
PS
Respekt für Deine Seite