Im Gegensatz zu Fachübersetzungen, deren Preise im Deutschen meist nach Zeilen (meist à 55 Zeichen inkl. Leerzeichen) und im Englischen (und vielen anderen Sprachen) nach Wörtern berechnet werden, wird bei Literaturübersetzungen die Seite herangezogen. Zu Schreibmaschinenzeiten setzte sich eine Seite aus 30 Zeilen zusammen, wobei eine volle Zeile exakt 60 Anschläge hatte. Es zählten aber auch unvollständige Zeilen als volle Zeile und unvollständige Seiten als volle Seiten, sodass man nicht von 1.800 (30 x 60) Zeichen pro Seite ausgehen konnte. Schlaue Menschen haben mal errechnet, dass eine vergleichbare Normseite heute 1.650 Zeichen hat, meist wird jedoch mit 1.500 oder 1.800 Zeichen gerechnet. Dieses Fehlen einer einheitlichen Normseite erschwert den Preisvergleich etwas.
Wie berechne ich die Seiten für eine Buchübersetzung?
Ich gehe bei einer Seite von 1.500 Zeichen aus. Wenn Sie also vorher für sich ausrechnen möchten, welche Kosten für die Buchübersetzung aus dem Englischen ins Deutsche auf Sie zu kommen könnten, gehen Sie in der Word-Datei auf Überprüfen, dort auf Wörter zählen, nehmen den Wert Zeichen (mit Leerzeichen) und teilen diese Zahl durch 1.500. Dann haben Sie die Anzahl der Seiten, mit der ich rechne. Vergessen Sie dabei auch den Klappentext und ggf. die Autorenbiografie nicht! Die Anzahl der Seiten nehmen Sie mal 25 und haben einen ungefähren (Netto-)Endpreis in Euro, den ich Ihnen für die Übersetzung Ihres Romans aus dem Englischen ins Deutsche mitsamt Lektorat und Korrektorat in Rechnung stellen würden. Bitte beachten Sie, dass der Endpreis je nach Buch höher liegen kann, aber nie niedriger. Sie erhalten immer einen runden Pauschalpreis. Hinzu kommen ggf. 7 % Umsatzsteuer, und bei Rechnungsadresse müssen Sie selbstständig Abgaben an die Künstlersozialkasse abführen (ca. 4,2 %).
Warum kostet eine Romanübersetzung so viel?
Weil sehr viel Arbeit darin steckt. Als Literaturübersetzerin schaffe bei einem nicht allzu anspruchsvollen Roman rund 3 Seiten pro Stunde (je nach Schreibstil können es auch deutlich weniger sein). Bei 400 Seiten macht das somit rund 135 Stunden. Danach arbeitet ich die Übersetzung selbst noch einmal durch und schaffe dabei rund 10 Seiten pro Stunde, also 40 weitere Stunden. Die Lektorin braucht für die Überarbeitung der Übersetzung schätzungsweise ebenfalls eine Stunde pro 10 Seiten, sodass weitere 40 Stunden auf den Zettel kommen. Anschließend gehe ich die Anmerkungen der Lektorin durch, wofür ich wieder 5 Stunden brauchen dürfte. Das Korrektorat schlägt mit rund 15 Stunden für 400 Seiten zu Buche. Plus 5 Stunden für das Auftragsmanagement stecken in der deutschen Version Ihres Buchs um die 240 Stunden Arbeit. Bei 10.000 Euro (400 Seiten x 25 Euro) sind das kaum mehr als 40 Euro pro Stunde, was für einen Freiberufler kein allzu fürstlicher Lohn ist. Bedenken Sie, dass Freiberufler für Krankenversicherung, Rentenversicherung und alle Arbeitsmaterialien (Computer, Software usw.) selbst aufkommen müssen! Und die Steuer fällt auch noch an. Der Stundensatz lässt sich nicht mit dem eines Arbeitnehmers vergleichen, eher mit dem eines Elektrikers oder eines Anwalts – und bei beiden würden Sie niemals so billig wegkommen.
Übersetzung von Kurzgeschichten
Für die Übersetzung einer Kurzgeschichte muss ein höherer Seitenpreis angesetzt werden, einfach, weil die Übersetzung pro Seite länger dauert. Bei einer Kurzgeschichte hat der Autor nur ein paar Seiten Zeit, um dem Leser das gewünschte Gefühl zu vermitteln, das sich bei einem Roman viel langsamer aufbauen kann. Eine Kurzgeschichte muss den Leser viel schneller packen, und dafür muss jedes einzelne Wort, jedes Satzzeichen, jeder Satzbau ganz genau sitzen. Da kann es schon passieren, dass ich eine Stunde an der Übersetzung einer einzigen Seite sitze, die ich in der Zeit immer wieder überarbeite, bis alles passt! Und der Lektorin geht es dabei nicht anders. Nur für die Korrekturlesern dürfte der Seitenpreis in Abhängigkeit der Gesamttextmenge keinen Unterschied machen; es sei denn, ihr Mindestauftragswert fällt an, dann kann auch ihr Seitenpreis für das Korrektorat einer Kurzgeschichte höher liegen als bei einem Roman.
Warum sind Buchübersetzungen so teuer?
Eigentlich sind Literaturübersetzungen viel zu billig, und Literaturübersetzer werden viel zu schlecht bezahlt. Laut einer Umfrage des Verbands für Literaturübersetzer (VdÜ) liegt der durchschnittliche Seitenpreis für Übersetzungen aus dem Englischen ins Deutsche bei 17,90 Euro – nur für die Übersetzung, Lektorat und Korrektorat kommen noch hinzu! Ein vergleichbarer Seitenpreis für eine Fachübersetzung liegt eher beim Dreifachen. Und das, obwohl man, wenn man sich in dem Fachgebiet richtig gut auskennt, nicht viel länger für die Übersetzung einer Seite brauchen dürfte als bei einem einfachen Roman. Dennoch träumen viele Übersetzer davon, Bücher übersetzten zu dürfen, weil es toll ist, wenn der eigene Text veröffentlicht wird, der eigene Name im Buch genannt wird – und weil wir verflixt gerne kreativ arbeiten, was bei Fachübersetzungen eher selten der Fall ist. Für mich ist deshalb die Mischung reizvoll: mal ein Fachtext, mal ein kreativer Text. Wirklich Geld lässt sich jedoch nur mit Fachübersetzungen verdienen, nicht mit Literatur.
Zum Weiterlesen: Eine interessante Fallstudie „Mit Übersetzungen auf den englischsprachigen“ Markt finden Sie in der Selfpublisherbibel.
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Horst-Dieter Schuster meint
Bin privater Hobby-Übersetzer (81) aus mehreren Sprachen, da Erwerb geistigen Gutes.
Seit 2016 arbeite ich an „Qui peut me sauver“ (Sophie Young) ins Deutsche.
Von den 269 Seiten habe ich mit vielen Unterbrechungen bis heute 190 Seiten geschafft.
Die Ausdauer ist mit dem fortwährend die Gesellschaft belastenden Thema zu erklären.
Die Herausforderung lohnt die eingesetzte Mühe.
Über die die Problematik des Geschäfts hatte ich mich vor Jahrzehnten schon bei einem
Verlag kundig gemacht. Also kam erst keine Illusion bei mir auf. Es soll ja auch nur beim
erfüllenden Hobby bleiben.