Kann man ein Buch mit DeepL übersetzen?
Also, klar, kann man, aber spart man damit auch Zeit und somit Geld? Ich habe es ausprobiert.
Unlängst kam ich unverhofft zu der Gelegenheit, tatsächlich zu testen, ob die Nutzung von DeepL bei einer Romanübersetzung Zeit und somit Geld spart. Denn das Gerücht, man müsse ein Buch einfach nur durch DeepL jagen und allenfalls von einem Muttersprachler bearbeiten lassen, hält sich ja hartnäckig!
Und so bot sich mir im Frühjahr folgende Situation: Für einen Verlag sollte ich drei Bücher derselben Autorin und sogar derselben Krimireihe bearbeiten, die allesamt vom Englischen ins Deutsche übersetzt wurden bzw. zu übersetzen waren.
- Buch Nr. 1 war eine Computerübersetzung. Der Übersetzer hat den Verlag schlicht übers Ohr gehauen; als mir das Buch zum Lektorat angekündigt wurde, wussten wir nicht, was uns erwartet.
- Buch Nr. 2 war eine gute Übersetzung einer echten Literaturübersetzerin.
- Buch Nr. 3 sollte ich selbst übersetzen.
Diese Gelegenheit habe ich genutzt und die Zeit gestoppt, die ich insgesamt für die Bearbeitung der drei Bücher gebraucht habe. Und das Ergebnis hat mich selbst überrascht!
Noch mal zur Verdeutlichung: Ich rede hier von Romanübersetzungen. NICHT von Bedienungsanleitungen, Geschäftsbriefen oder Datenschutzerklärungen. Es gibt Textsorten, die DeepL durchaus gut hinkriegt; meist Textsorten, die hauptsächlich mit Textbausteinen arbeiten. Romane hingegen sind ein völlig anderes Kaliber. Und allein um Romane geht es in diesem Posting.
Das Übersetzungslektorat
Begonnen habe ich meinen Versuch mit Buch 2. Die Übersetzung war so gut, wie ich es bei diesem Verlag gewohnt bin. Aber auch eine gute Romanübersetzung muss immer lektoriert werden, weil vier Augen stets mehr sehen als zwei und die Lektorin mehr Abstand zum Werk hat. Als Übersetzerin wird man irgendwann betriebsblind und sieht eigene Fehler nicht mehr. Als Lektorin lese ich das übersetzte Buch wie eine ganz normale Leserin, und wenn ich über etwas stolpere, bügele ich die Stelle glatt, wofür ich manchmal das Original heranziehen muss. So achte ich auf Anglizismen, auf die korrekte Verwendung von Zeiten, auf Redewendungen, Wortspiele, Konnotationen, Wortwiederholungen usw.
Für dieses Übersetzungslektorat hatte ich einen Monat Zeit, und wie immer teilte ich mir die Arbeit ein. Mein tägliches Pensum sah 50 Seiten pro Tag vor, für die ich rund drei Stunden gebraucht habe. Mit Nacharbeiten meines eigenen Lektorats steckten in diesem Buch mit 480 Seiten rund 40 Stunden Arbeit.
Das Horrorlektorat
Und dann kam ich zu Buch 1. Hier hat der Übersetzer, wie bereits erwähnt, einfach eine Computerübersetzung abgegeben. Anfangs hat er sich noch ein bisschen Mühe gegeben, die Spur zu verschleiern, indem er ab und an ein Wort ausgetauscht hat, im weiteren Verlauf dann jedoch nicht mehr. Aber ich hatte das Lektorat zugesagt, der Verlag hat meine Vergütung verdreifacht und ich machte mich an die Arbeit.
Bei diesem Horrorlektorat betrug mein tägliches Pensum 20 Seiten – mehr habe ich schon nervlich nicht geschafft. Gegen 8 Uhr fange ich täglich an zu arbeiten und bei diesem Horrorlektorat saß ich meist bis um 16 Uhr am Schreibtisch. Abzüglich der Pausen habe ich pro Stunde rund drei Seiten geschafft – im Vergleich zum Lektorat der guten Übersetzung von Buch 2 mit 16 Seiten pro Stunde also weniger als ein Fünftel. Aber gut, ich vergleiche damit ja nur das Lektorat einer guten mit dem einer schlechten Übersetzung; natürlich dauert Letzteres länger!
Noch viel mehr als Zeit, die ja bezahlt wurde, hat mich dieses Horrorlektorat jedoch Nerven gekostet, die mir niemand zurückgeben kann. Die hauptsächlichen Punkte waren:
- Man spart keine Zeit fürs Tippen. Das ist vermutlich der größte Irrtum überhaupt, aus dem heraus die Leute denken, es spare Zeit, wenn man eine Computerübersetzung bearbeitet und nicht selbst übersetzt: Man muss ja nicht so viel tippen. Es steht ja schon alles da. Man muss ja nur das bearbeiten, was da steht, und kaum was neu tippen. Und das ist eine Milchmädchenrechnung.
Erstens tippe ich recht schnell. Und blind. Beim Übersetzen lese ich also den nächsten Abschnitt im Original und tippe gleichzeitig die deutsche Version in die Tastatur. Lesen und Schreiben ist bei mir ein simultaner Vorgang. Manchmal tippe ich auch gar nicht, sondern diktiere. Auch dann lese ich den nächsten Abschnitt im Original und diktiere ihn gleichzeitig auf Deutsch in den Computer. Es geht also praktisch keine Zeit fürs Tippen verloren, denn Tippen und Lesen geschieht gleichzeitig, und lesen muss ich sowieso.
Zweitens muss ich bei einer DeepL-Übersetzung beide Versionen lesen: Original und Übersetzung. Erst die Übersetzung, um zu sehen, wie gut sie ist, dann das Original, um zu vergleichen, ob die Übersetzung den Kern der Aussage wiedergibt. Bereits dann habe ich somit doppelt so viel Zeit verbraucht wie bei einer Neuübersetzung. Selbst wenn die DeepL-Übersetzung perfekt ist. Was fast nie der Fall ist, aber selbst dann habe ich mit der DeepL-Übersetzung mehr Zeit gebraucht als ohne. Und nun muss ich die Übersetzung noch korrigieren.
- Man übersieht Fehler. Das ist das Tückische an DeepL: Die Übersetzung liest sich grammatikalisch korrekt und in den meisten Fällen sogar logisch. Und so übersieht man gerne mal Fehler. Bei diesem Horrorlektorat beispielsweise sind mir mehrere Fehler erst beim dritten Durchlesen meines überarbeiteten Werks aufgefallen. Boot ist mir in besonderer Erinnerung geblieben. Laut Horrorübersetzung hat der Mann zwei Taschenlampen aus dem Stiefel gezogen. Klar, dachte ich, warum auch nicht. Passen ja rein! Was weiß denn ich, wo andere Leute ihre Taschenlampen aufbewahren! Erst beim späteren Durchlesen habe ich mich gewundert, warum er die Stiefel anschließend nicht anzieht. Und erst dann bin ich darauf gekommen: Kofferraum, nicht Stiefel! Er holt die Taschenlampen aus dem Kofferraum! Und solche Fehler habe ich gefunden, weil ich Ausgangs- und Zielsprache sehr gut beherrsche. Ein Muttersprachler der Zielsprache, dessen Qualifikation allein darin besteht und der einfach nur die DeepL-Übersetzung „polieren“ soll, hätte sie niemals entdeckt.
- Bei einer Romanübersetzung geht es nicht darum, ein Wort oder einen Satz aus einer Sprache in die andere zu übertragen. Ein Roman wird nicht zu Informationszwecken geschrieben und übersetzt, sondern um zu unterhalten. Um Gefühle beim Leser zu wecken. Spannung, Verliebtsein, Angst … je nachdem, um welches Genre es sich handelt. Und damit der Leser diese Gefühle empfindet, muss der Autor sie vermitteln können. Und um diese Gefühle vermitteln zu können, muss der Autor sie spüren. Und genauso geht es der Übersetzerin. Sie liest das Original, fühlt die Handlung und formuliert ihre Übersetzung so, dass die Leser sie ebenso fühlen. Bei der Überarbeitung der DeepL-Übersetzung habe ich absolut nichts gefühlt – außer Wut und Frust. Was mehr mit der Übersetzung zu tun hatte und weniger mit der Story. Zugegebenermaßen habe ich zeitweise auch sehr gelacht; Stilblüten wie „Ein schrecklicher Gedanke traf sie so stark wie der Vogel, der vom Dach flog und ihr die Haare schnitt“ sind aber auch zum Brüllen komisch. Wobei mein Favorit „Ihr Gemüt kochte knapp unterhalb der Oberfläche der Empörung“ ist. Genau so habe ich mich gefühlt. Aber Spannung, Angst, Verliebtsein oder Sorge, weil die Schwester des Protagonisten entführt wurde? Davon habe ich nichts gespürt. Und vermutlich habe ich diese Gefühle deshalb auch nicht allzu gut vermitteln können.
- Ich bin nie im Fluss. Als Autor kennen Sie das, wenn Sie an Ihrem Buch schreiben: Sie sind im Tunnel. Im Fluss. Konzentriert. Sie sehen die Handlung vor sich und die Wörter tippen sich quasi von selbst in die Tastatur. Sie spüren, was Sie schreiben. Und wenn Sie jemand anquatscht, werden Sie herausgerissen und müssen sich nach der Störung wieder reinfinden. Genauso geht es mir auch bei der Übersetzung eines Romans. Nicht jedoch bei der Überarbeitung von DeepL. Da werde ich so oft aus dem Geschehen gerissen, dass ich gar nicht reinkomme. Bei jedem einzelnen Satz. Ich komme nie dazu, einen gesamte Szene zu lesen und zu fühlen; ich muss ja jeden einzelnen Satz bearbeiten. Und wenn Sie sich nun vorstellen, wie Sie beim Schreiben nach jedem einzelnen Satz gestört würden, können Sie vielleicht nachempfinden, wie frustrierend die Überarbeitung einer DeepL-Übersetzung ist. Und wie schlecht das Ergebnis ist, wenn man unkonzentriert arbeitet.
Aber betrachten wir mal die ganz praktischen Schwächen von DeepL & Co.:
- Anführungszeichen werden irgendwie sehr oft verschluckt. Irritierenderweise nicht alle, was die Korrektur noch zeitaufwendiger macht. Man muss sie ja nicht nur ändern und oft wieder einfügen; man muss auch im Original nachsehen, wo sie hingehören. Das ist echt nervig.
- Akronyme werden meist nicht übersetzt. So war im betreffenden Roman permanent von SOCO und FLO die Rede; mit beidem könnten deutsche Leser wohl nicht allzu viel anfangen. Also muss ich recherchieren, was diese Akronyme bedeuten, und anschließend ebenso recherchieren, wie die deutsche Bezeichnung lautet. Bei SOCO (Spurensicherung) war das einfach, ein deutsches Äquivalent für Family Liaison Officer hingegen gibt es gar nicht. Hier dennoch eine deutsche Entsprechung zu finden, ist mein Job als Übersetzerin – und der Zeitaufwand ist bei Nutzung einer DeepL-Übersetzung und bei einer Neuübersetzung derselbe.
- Du/Sie ist logischerweise ein ständiges Problem. Als Übersetzerin muss ich mich immer entscheiden, ob sich die Personen in einem Dialog duzen oder siezen sollen – und dann muss ich natürlich darauf achten, dass die Anrede auch so bleibt, und sich Personen, die sich im dritten Kapitel noch geduzt haben, im achten Kapitel nicht plötzlich siezen. DeepL achtet darauf gar nicht. Da wird mal geduzt und mal gesiezt, immer fröhlich durcheinander. Und wieder: Natürlich lässt sich das korrigieren. Aber das kostet Zeit. Zeit, die DeepL eigentlich sparen sollte.
- DeepL nimmt auch überhaupt keine Rücksicht auf Wörter, die mehrere Bedeutungen haben, was übrigens auf fast alle Wörter zutrifft. Manchmal sind die Bedeutungsunterschiede nur marginal, manchmal rein stilistischer Natur – aber manchmal durchaus wesentlich. „Call in the station in the morning“ beispielsweise übersetzt DeepL mit „Rufen Sie morgens beim Bahnhof an.“ Hier haben wir gleich mehrere Fehler: 1. soll nicht angerufen werden, sondern die Person soll vorbeikommen (to call hat beide Bedeutungen und muss in Abhängigkeit vom Kontext übersetzt werden), 2. muss es gar nicht morgens sein, sondern vormittags (da unterscheidet das Englische nicht; das Deutsche schon. Selbiges gilt für night, was zu oft als Nacht übersetzt wird, obwohl es Abend bedeutet) und 3. ist station hier kein Bahnhof, sondern die Polizeidienststelle. Na ja, und 4. soll die Person am nächsten Tag einmalig vorbeikommen und nicht mehrmals (morgens). Das sind alles Sachen, die ich als Profi weiß. Ein Computer weiß das nicht. Und ein Muttersprachler, dessen einzige Qualifikation darin besteht, ein Muttersprachler zu sein, auch nicht. Und wieder habe ich für die Korrektur dieses Satzes länger gebraucht als für die Neuübersetzung.
- Weitere Fehler sind: Einheitlichkeit (ein Wort wird mal so und mal so übersetzt, was manchmal egal ist, aber manchmal geht dadurch ein Zusammenhang flöten), Wortspiele, Anspielungen (bunny boiling bitch versteht man wohl nur, wenn man Eine verhängnisvolle Affäre gesehen hat), unpassende Stilebenen, lokale Bezüge, Doppeldeutigkeiten, Gender (ist lawyer, cop, murderer usw. im vorliegenden Fall ein Mann oder eine Frau?) sprechende Namen und vieles mehr. DAS sind die Sachen, die beim Übersetzen Zeit kosten, nicht das Tippen. Und die nimmt einem DeepL nicht ab.
Geld sparen durch die Nutzung von DeepL?
Der Gedanke ist durchaus legitim. Um Geld zu sparen, muss man jedoch immer etwas anderes sparen: Zeit oder Qualifikation zum Beispiel.
- DeepL spart keine Zeit. Das habe ich bereits mehrfach erwähnt. Ich komme noch zur Neuübersetzung des 3. Buchs, sodass sich der Zeitaufwand wunderbar vergleichen lässt. Und warum sollte ich für die Überarbeitung einer DeepL-Übersetzung weniger berechnen als für eine Neuübersetzung, wenn ich doch genauso lang oder gar länger dafür brauche?
- DeepL erfordert Qualifikation. Für die Überarbeitung brauchen Sie dennoch eine erfahrene Übersetzerin, die beide Sprachen aus dem Effeff beherrscht. Ein unqualifizierter Muttersprachler wird viele Fehler nicht sehen, wodurch die Übersetzung auch nach seiner Überarbeitung immer noch schlecht ist. Und ein Profi kostet nun mal mehr als ein Amateur.
- DeepL ist kostenlos. Das ist eigentlich der größte Denkfehler: Warum sollte ich als Übersetzerin weniger Geld verlangen, wenn ich eine Computerübersetzung bearbeite, als wenn ich das Buch selbst übersetze? DeepL ist kostenlos! Selbst wenn ich das komplette Buch im Ganzen übersetzt haben möchte, zahle ich nur
5,997,49 Euro im Monat! Würde mir die Nutzung von DeepL also bei meiner Buchübersetzung auch nur im Geringsten helfen, würde ich das Geld investieren. Aber warum um Himmels willen sollte ich auf 30, 50 oder auch 70 % des Geldes und damit auf Hunderte von Euro verzichten, weil der Autor mir eine Computerübersetzung zur Verfügung stellt, die maximal 5,99 Euro kostet? Das ist schlicht nicht logisch.
Die Neuübersetzung
Aber kommen wir nun zu Buch 3, das ich von Anfang bis Ende selbst übersetzt habe. Wie immer habe ich um 8 Uhr morgens angefangen und mir ein Tagespensum von 20 Seiten gesetzt, also genauso viele wie beim Horrorlektorat. Und ich war jeden einzelnen Tag um spätestens 12 Uhr fertig. Somit habe ich 5 Seiten pro Stunde geschafft. Die Neuübersetzung ging also ungefähr doppelt so schnell wie die Überarbeitung der DeepL-Übersetzung.
Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass es sich hierbei um den ersten Entwurf handelt. Dieser muss natürlich überarbeitet werden; der Zeitaufwand ist ähnlich wie beim Lektorat der guten Übersetzung. Diese Arbeit fällt jedoch bei Neuübersetzung und Horrorlektorat gleichermaßen an.
Zum konkreten Zeitvergleich:
Alle drei Bücher hatten um die 480 Seiten. Für das Lektorat der guten Übersetzung habe ich gebraucht:
- 16 Seiten pro Stunde, macht 30 Stunden
- plus Korrekturen durchsehen, Text durch die Duden-Rechtschreibprüfung jagen: 10 Stunden
Macht insgesamt 40 Stunden Arbeit.
Horrorlektorat:
- 3 Seiten pro Stunde, macht 160 Stunden
- plus eigenes Lektorat des Textes mit zeitlichem Abstand: 20 Seiten pro Stunde, macht 24 Stunden
Macht insgesamt 186 Stunden Arbeit.
Neuübersetzung:
- 5 Seiten pro Stunde, macht 96 Stunden
- plus eigenes Lektorat des Textes mit zeitlichem Abstand: 20 Seiten pro Stunde, macht 24 Stunden.
- plus Lektorat durch eine Lektorin: 16 Seiten pro Stunde, macht 30 Stunden
Macht insgesamt 150 Stunden Arbeit.
Fazit: Die Nutzung von DeepL für die Übersetzung von Romanen lohnt sich nicht. Sie spart keine Zeit – und das Ergebnis wird schlechter. Ein klarer Fall von lose-lose, würde ich sagen!
Weiterlesen:
Götz Hindelang meint
Wie sagt man so schön auf Englisch: „You can’t polish a turd.“ Sie haben es belegt: Schlechte Übersetzungen zu korrigieren dauert länger, als den Text neu zu übersetzen.
Til Jørgson meint
Minimieren bedeutet verkleinern. Marginalisieren bedeutet an den Rand drängen. (Im Abschnitt »mehrere Bedeutungen«.) Der Unterschied ist demnach minimal.
Miriam Neidhardt meint
Marginal = nicht unmittelbar wichtig, geringfügig.
Uta Rupprecht meint
Vielen Dank, dass du von diesem – wohl eher unfreiwilligen – Test berichtet hast, Miriam! Wie du bin ich Übersetzerin und Lektorin für belletristische Texte und muss immer wieder erklären, warum ich meine Auftragslage trotz Automatikübersetzungen eher nicht bedroht sehe. Jetzt kann ich auf deinen hilfreichen Beitrag verweisen!
Klaus Bailly meint
Vielen Dank für diesen sehr erhellenden und informativen Bericht! Dass DeepL für literarische Übersetzungen vöilig unbrauchbar ist, war für mich zwar immer schon eine Selbstverständlichkeit, aber der Nachweis, dass es auch zur Anfertigung einer anschließend zu überarbeitenden Rohübersetzung nicht taugt, ist sehr überzeugend gelungen.
Ute Augstein meint
Vielen Dank für diesen Beitrag und die prägnante Gegenüberstellung. Ich übersetze ebenfalls Romane aus dem Englischen ins Deutsche und habe schon mehrfach erklären müssen, dass eine KI eben K, also künstlich ist. Wie könnte etwas, das künstlich ist, Gefühle und Mitgefühl erzeugen? Ich denke, das ist so wie der Versuch, sich mit alkoholfreiem Bier einen Rausch anzutrinken.
Maja Benke meint
Also ich habe mein Sachbuch komplett von DeepL übersetzen lassen ins Englische, da ist das glaube ich besser und nur hier und da was korrigiert, insgesamt geht es ja vor allem darum, schnell Geld zu verdienen mit dem eigenen Buch und da will ich nicht so viel Zeit reinstecken.
Loxagon meint
Nun ja, wenn man als Leser nur zwischen Englisch und KI Übersetzt wählen kann, weil Serie X bei uns abgebrochen wurde, ist KI sicher eine gute Wahl. So versteht man immerhin alles, gerade wenns komplexe Romane sind.
Sanne meint
Wie schnell man ist, hängt allein vom eigenen Arbeitsprozess ab. Meiner schließt auch bei der nicht-KI-gestützten Übersetzung den direkten permanenten Vergleich von Original und Übersetzung ein. Zudem erfordern die Romane, die ich übersetze, eine häufige Recherche. Ich bin also eh ständig am pausieren.
Sofern der Verlag bzw. Autor DeepL erlaubt, sind diese Romane mit DeepL gut zwei bis drei Wochen schneller fertig, als ohne KI. Und das obwohl mindestens ein Edit in einer weiteren KI erfolgt, bei der ich alle drei Versionen parallel lese. Hat man zwei Monitore und sitzt an einem Desktop PC ist das alles kein Problem.
Qualitativ ist die KI-Version nach doppelter Korrektur und einem letzten Proof keinen Deut schlechter als die „normale“ Übersetzung. Sie ist aber schneller fertig.
Die Profi-Versionen von DeepL und Co. sind übrigens deutlich besser als die Webversionen. Zwischenzeitlich können sie zusammen mit dem Übersetzer genommen sogar deutlich besser als SDL Trados sein. Viele dessen Werkzeuge werden gerade ebenfalls eingebaut.
Und am Ende ist die Sache recht einfach: Die KI Version kostet den Auftraggeber, da weniger zeitintensiv, mindestens die Hälfte weniger als die normale Übersetzung. Meist ist es nur ein Drittel. Autoren mit einer 60 or 70 Bücher starken Backlist haben da gar keine andere Wahl.
Matthias Käther meint
Ich übersetze Kurzgeschichten vom Englischen ins Deutsche und kann viel von dem Ärger verstehen, der bei der deepl-Nutzung entsteht. Trotzdem nutze ich das Ganze gern zur Unterstützung, bei Slang und Umgangssprache ist deepl oft überraschend gut. Außerdem sind die Vergleiche im Artikel natürlich nicht exemplarisch – ich kann nicht blind tippen, viele andere auch nicht, das verzerrt den Vergleich mit der investierten Zeit enorm, weil er keinen „normalen“ Durchschnittswert abgibt.
Bei andern Dingen, die mich jetzt ärgern, kann ich mir vorstellen, daß die KI das in den nächsten Jahren in den Griff bekommt. Zum Beispiel scheint mir, daß ein Filter für Epochen hilfreich wäre. In einem viktorianischen Roman würde dann „call“ immer mit besuchen und nicht mit anrufen übersetzt werden, cab immer mit Droschke und nicht mit Taxi etc. Es sollte doch auch in einem gewissen Maße möglich sein, die Ich/Sie Probleme zu lösen, indem die KI den Kontext abklopft; wenn von Verwandten ersten Grades oder Freunden die Rede ist, sollte eine automatische „Du“-Option realisierbar sein.
Ein Hauptproblem besteht vermutlich darin, daß die KI bisher nur satzweise oder in sehr kleinen Einheiten denkt. Oft wechselt da Du und Sie in einem Schachtelsatz, und in einem Absatz wird Casket mal als Schatulle, mal als Sarg übersetzt. Also scheint da eine Meta-Erfassung des Inhalts zu fehlen. Darauf ist deepl (bisher) nicht ausgelegt. Deswegen denke ich, daß eine KI, speziell entwickelt für die Übersetzung größerer Texte, in Zukunft durchaus gute Ergebnisse liefern könnte, die nicht so zeitintensiv zu lektorieren sind.